Kreative Städte sind solche, in denen kluge Köpfe etwas Neues erschaffen – ob nun neue Technologien, Kunst oder erfolgreiche Start-ups. Dabei hilfreich: Orte, an denen physische Prototypen schnell erstellt werden können. Ein solcher Ort ist der MakerSpace
im Munich Urban Colab. Besuch in einem besonderen Ideenlabor.

„Aura“ ist tote Materie, aber zugleich auch sehr lebendig. Oberflächlich betrachtet handelt es sich zwar lediglich um eine Lampe in Form einer spacig wirkenden Qualle. Doch die hat es in sich. Die kinetische Lichtskulptur funktioniert wie ein lebendiger Organismus: Kleine physische Impulse erwecken sie zum Leben. Sie ändert dann ihre Form und Farbe. „Aura“ zeigt damit, wie Nassim Laarmann erläutert, “Ihre Gefühle gegenüber denen, die sie erforschen“. So entsteht ein neues Verständnis für die Abhängigkeit von Mensch und Maschine. „Wir lernen, mit der Maschine zu kommunizieren, und entdecken so ihre emotionale Welt“, so die Künstlerin und Designerin Laarmann.

„Aura“ ist ein Kunstwerk. Dieses konnte Nassim Laarmann nur realisieren, weil sie auf die avancierten Maschinen im Münchner „MakerSpace“ zurückgreifen konnte. Es ist von daher ein Beispiel für die wichtige Rolle, die MakerSpaces, also öffentlich-zugängliche Kreativwerkstätten, in unserer Gesellschaft spielen können: Sie geben unserer Kreativität Raum und ermöglichen es uns, einfach physische Designexperimente zu starten und
eigene Prototypen zu erstellen. Künstlerinnen und Künstlern geben sie die Gelegenheit, mit neuen Technologien zu arbeiten – und damit auch zu neuen Formen und technologisch komplexeren Kunstwerken zu gelangen. Kunst und Technologie nicht als Gegensatz, sondern in einer engen Produktivbeziehung.

MakerSpaces sind insofern wichtige Elemente kreativer Städte. Zugleich steht der Münchner MakerSpace, der zu UnternehmerTUM gehört und unter anderem im Erdgeschoss des Munich Urban Colab sein Domizil hat, auch für ein zentrales Ziel von UnternehmerTUM insgesamt: „Wir wollen Studierenden die Chance geben, schnell praktische Fähigkeiten zu erlernen“, erläutert Florian Küster, Leiter der MakerSpace GmbH und verantwortlich für die zwei Standorte im Munich Urban Colab und in Garching. Die Studierenden „sollen Hands-On-Fähigkeiten entwickeln, um keine bloßen Powerpoint-Künstler zu werden“. Idealerweise werden einige von ihnen auch Unternehmer.

Julius Lutzer zum Beispiel hat noch als Studierender gemeinsam mit Kommilitonen die Firma „Filics“ direkt aus dem MakerSpace heraus gegründet. Jetzt hilft er Unternehmen weltweit dabei, ihre Logistik effizienter zu gestalten. Auch das Unternehmen „Angsa Robotics“ hat seinen Ursprung im MakerSpace. Drei TUM-Alumni haben unter diesen Namen einen vollautomatisierten Hightech-Roboter entwickelt, der Grünflächen von Kleinmüll befreit. 

Gerade in einem Gründerzentrum wie dem Colab ist ein MakerSpace als Angebot eminent wichtig. Es beschleunigt Gründungen rasant, wenn kreative Köpfe ihre Ideen schnell und unkompliziert bauen können – und somit auch schnell Feedback potenzieller Kunden einholen können. Gerade die Marktfähigkeit innovativer Start-ups wird so gesteigert.

Zugleich steht der MakerSpace aber auch etablierten Unternehmen offen. Sie können dort Teambuilding-Workshops gestalten und damit die Kreativität und Ideen bei den Mitarbeitern fördern. Es erweitert den eigenen Horizont, einfach mal out of the box zu denken und Hands on zu arbeiten. Viele Unternehmen nutzen die Gestaltungsräume als Incentive für ihre Mitarbeiter – der Triebwerkshersteller MTU zum Beispiel. Das Unternehmen lässt seine Mitarbeiter dort regelmäßig an eigenen Produktideen tüfteln. „Wir möchten unsere ErfinderCommunity in der Umsetzung ihrer innovativen Ideen noch
mehr stärken“, heißt es dazu aus MTU-Kreisen. Viele Mitarbeiter großer Unternehmen können im MakerSpace eigene Prototypen herstellen. Und manchmal entfalten diese eine riesige Wirkung. Die BMW-Mitarbeiterin Stella Clarke zum Beispiel begann im MakerSpace, mit elektronisch
aufgeladenen Partikeln zu experimentieren, die ihre Farbe ändern können – „E ink“ genannt. Was spielerisch begann, mündete letztlich in dem Visionsfahrzeug „BMW i Vision Dee“, das auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas in diesem Jahr für Furore sorgte. Und damit ist das Potenzial der neuen Technologie noch nicht erschöpft. Küster: „Das ist auch für den Bausektor nutzbar. Gebäude können ihre Farbe womöglich künftig der Außentemperatur anpassen.“ Bei Hitze hell, bei Kälte dunkel – das wäre ein echter Schritt Richtung Klimaneutralität der Immobilienbranche.

Lösungen anbieten – das ist die Mission vom MakerSpace, es ist aber auch die Mission vom Munich Urban Colab insgesamt. Nicht im Lamentieren verharren, sondern konstruktiv grübeln, anpacken, ausprobieren, bauen. Einfach mal einen Prototyp entwerfen, den dann kontinuierlich verbessern – und nach Möglichkeit schnell auf den Markt bringen. Das ist die Haltung, die alle MakerSpaces weltweit vereint. MakerSpaces haben sich inzwischen viele Städte gegeben, in Deutschland etwa auch Hamburg, Berlin, Heilbronn oder Paderborn. Der Münchner MakerSpace ist mit satten 3.000 Quadratmeter Größe und 37 Mitarbeitenden aber ein Stück weit unique. Küster: „Mit unserer technischen und infrastrukturellen Ausstattung sind wir sicher europaweit einzigartig.“ Wie zum Beleg führt er mich zu einem einen beeindruckenden 3D-Drucker der Firma bigRep. In kurzer Zeit kann dieser komplexe Drohenbauteile ebenso herstellen wie den detailfeinen Kunststoff-Löwen, den Küster mir zeigt. „Öffentlich zugängliche 3D-Drucker mit diesen Funktionen gibt es in Deutschland nur wenige“, sagt er, durchaus stolz. Dass die Münchner diesen nun nutzen können, liegt nicht zuletzt an der Kooperation des Colabs mit der Koehler Group aus dem Schwarzwald, die den Drucker zur Verfügung stellt.

Währenddessen wird es hinter ihm mal kurz etwas lebhaft. Zwei junge Männer diskutieren eine Idee, die sie an ihrem Computer visualisieren. Es sind die Gründer von „SynthesEyes“, die hier gerade an einer Weiterentwicklung ihres Produktes arbeiten, einem synthetischen computergestützten Tool für hochpräzise Augen-Operationen. „Das Umfeld hier im MakerSpace und im Munich Urban Colab insgesamt hilft uns sehr“, sagen sie. Vor allem der Austausch mit anderen Gründern inspiriert und sorgt für Motivation, wenn mal eine Durststrecke zu überstehen ist. Häufig beginnen die Initiativen spielerisch, zum Beispiel mit einem Think Make Start, das Studenten zum Experimentieren ermutigt. Kommerziell werden die Initiativen erst später. Dahinter steht das Zusammenspiel von Forschungserkenntnissen und Stiftungen, wie der Zeidler Forschungsstiftung, die seit Jahren Entrepreneurship gezielt fördert. Dabei geht es Studierenden auch um die ganz großen Themen, etwa den Klimawandel. Küster: „Bei vielen unserer Gründungen ist schon etwas Weltverbesserung mit im Spiel.“ Das gilt auch für die Initiative „TUM Carbon Removal“, die sich aktuell im MakerSpace im Aufbau befindet. Die Idee ist so einfach wie genial: Eine Maschine entnimmt Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichert dieses in Trockeneis.

Die Marktreife zu erlangen ist für solche Großlösungen in Sachen Klimawandel nicht leicht. Insgesamt versteht sich der MakerSpace durchaus als Sprungbrett für werdende Erfolgsfirmen. „Wir sind ein Magnet für Tech-Talente und fördern die nächste Gründergeneration, daran lassen wir uns messen“, sagt er. Und das gehe besonders gut „im branchenübergreifenden Verbund mit etablierten Unternehmen wie BMW, Siemens,
Panasonic, Würth und Infineon, die unsere Mission mit High-Tech Produkten, Expertise und Kapital unterstützen“. Der MakerSpace profitiert von der Mutterorganisation UnternehmerTUM, welche der Kreativschmiede den Rücken frei hält – auch finanziell. Florian Küster: „Wichtiger als Rendite ist es für uns, dass wir die Kreativität in der Stadt mobilisieren, jungen Gründern wirklich helfen – und fokussiert zur Stärkung
des Standortes München und Deutschland insgesamt beitragen.“

Lösung für Deutschlands MINT-Problem? Das ist auch dringend nötig. Wir wissen: Wirtschaftlicher Erfolg eines Landes hängt nicht zuletzt von seiner Innovationskraft im Technologiesektor ab. Dafür braucht es schon in der Schule Faszination für technische Fächer. Aber gerade diese „MINT“-Fächer sind in Deutschland nicht gerade in Mode. Das möchte Küster mit seinem Team ändern. Demnächst rufen sie deshalb gemeinsam mit einer Stiftung ein eigenes MINTStipendium für Schülerinnen und Schüler aus. Diese sollen niedrigschwellig mit komplexen Maschinen experimentieren und sich selbst ausprobieren. „So wächst eine neue Erfinderkultur“, glaubt Florian Küster. Das Interesse der Münchner Stadtgesellschaft ist grundsätzlich da. 1.500 Mitglieder hat der MakerSpace aktuell, Tendenz steigend. 125 Kurse halten die Münchner jeden Monat ab. Und Florian Küster ist überzeugt, dass das erst der Anfang ist. „Es gibt einen Sog der praktischen Kreativität. Lassen Sie uns die Konsumentenhaltung aufgeben. Wer einmal einen Prototypen selbst erstellt hat, hat Lust auf mehr.“